Temples: Exotico – Albumreview

Temples credit Molly Daniel

Eine vielversprechende Kombination: Die Psychedelic-Rocker Temples lassen sich vom Sohn eines Miterfinders dieses Stils produzieren. Das Album fällt etwas zu lang aus, macht aber dennoch viel Spaß.

von Werner Herpell

Wer könnte ein idealer Produzent sein für das vermutlich karrierewegweisende Album einer Band, die per Definition des Auskenner-Onlinemagazins Allmusic „Neo-Psychedelia mit trippy Barockpop-Experimenten und beatlesker Handwerkskunst“ kombiniert? Genau: Sean Lennon, der längst selbst berühmte Musiker-Sohn des Künstlerpaars John und Yoko. Bei „Exotico“, der vierten Studioplatte des 2012 gegründeten, anfangs sehr erfolgreichen britischen Psych-Rock-Quartetts Temples, fielen die

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Kernkompetenzen des 47-jährigen Studiotüftlers und Multiinstrumentalisten aus New York auf fruchtbaren Boden.

Formel seit den Sixties bekannt

Temples Exotico Cover ATO Records

Über 16 Tracks – wie fast immer bei einer solchen Masse an Material ein paar zuviel – reizen die Temples unter Lennons kundiger Regie die seit den Sixties bekannten Formeln des leicht verspulten, auch mal behaglich umnebelten, aber stets wunderbar bunt schillernden Pops voll aus. So lassen auch exotische (der Albumtitel!) Instrumentierungen und Arrangements nicht lange auf sich warten. In „Cicada“ etwa klingt das dann wie eine schräge Mischung aus indischer Musik und italienischem Filmscore (weitere Stil-Assoziationen ausdrücklich erlaubt). „Oval Stones“ verknüpft britischen Folk und Synthpop zu einer tanzbaren Hymne, während „Slow Days“ eine süffige Fab-Four-Melodie mit einer Steel-Gitarre, Harmony-Chorgesängen und Orgel-Outro auspolstert.

Und so weiter, bis zum Schluss nach einer Stunde Laufzeit. Hört sich seltsam an? Ist auch seltsam. Aber in gut.

Meist funktioniert die Temples-Mixtur

Es gibt also viel zu entdecken in den vielen Stücken von „Exotico“. Manchmal haben Sean Lennon und die Temples ihre Retro-Mixtur wie ein „Malen nach Zahlen“ angelegt, dann wirken die Songs etwas zu formelhaft. Aber meistens funktioniert’s – besonders schön im Opener „Liquid Air“, im bis zu den Vocals perfekten John-Lennon-Pastiche „Time Is A Light“ oder in der an David Bowie erinnernden Pop-Operette „Fading Actor“. Und dass diese Band aus dem zentralenglischen Kettering (Sänger/Gitarrist James Bagshaw, Bassist Tom Walmsley, Keyboarder/Gitarrist Adam Smith und Schlagzeuger Rens Ottink) das Rad der Rockmusik nicht neu erfindet, wusste man ja auch schon von ihren drei Vorgängeralben seit „Sun Structures“ (Top Ten im UK 2014).

Temples sparen nicht an Expertise

Abgemischt wurde „Exotico“ übrigens von Dave Fridmann, der sich bereits mit The Flaming Lips oder Beach House bleibende Meriten für einen watteweichen neuen Psychedelic-Rock und Dreampop erworben hat. Die Temples haben also nicht an Expertise gespart, um ihrer zuletzt etwas weniger inspirierten und kommerziell trudelnden Musik einen Schub zu verpassen. Und was ihren Promi-Produzenten Sean Lennon betrifft – da hofft man als Fan seines Albums „South Of Reality“ (2019) von The Claypool Lennon Delirium, dass dieser tolle Musiker bald mal wieder unter eigenem Namen veröffentlicht.

„Exotico“ von Temples erscheint am 14.04.2023 bei ATO/Pias. (Beitragsbild von Molly Daniel)

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